Katharina Scheidig und Kristina Steinhauf lernten sich zufällig an der englischen Südküste kennen – seither verbindet sie nicht nur eine Freundschaft, sondern auch das gemeinsame Unternehmen urnfold: Mit Urnen aus Papier machen die beiden trauernden Angehörigen den Abschied leichter und bieten zugleich eine ästhetische Alternative an, die individuelle Gestaltungsmöglichkeiten zulässt. Wir sprachen mit den beiden über diese ungewöhnliche Idee.
Was gab letztlich den Initialfunken, um gemeinsam Urnfold zu gründen?
2014 starb Kristinas Vater und sie baute ihm selbst eine Urne. Die Materialien und das Design herkömmlicher Schmuckurnen haben uns damals stark irritiert. Im Laufe der nächsten Jahre kam dann das Thema immer wieder auf. 2020 nahmen wir dann bei der Social Innovators Challenge (SIC), der Universität Bamberg und Würzburg teil und gewannen den Wettbewerb mit der Idee, gestaltbare Urnen aus Papier herzustellen. Für uns kam das tatsächlich unerwartet, entschieden uns jedoch danach, die Idee ernsthaft weiterzuverfolgen.
Waren hierbei im Vorfeld viele bürokratische Hürden zu nehmen?
Nach dem Wettbewerb hatten wir das Glück relativ schnell in Kontakt mit progressiven und modernen Bestattungsinstituten zu kommen, die uns sehr viele hilfreiche Informationen gegeben haben. Im Grunde sind die Regularien überschaubar. Die Urne muss biologisch abbaubar sein, darf eine bestimmte Größe nicht überschreiten und sollte über Senkschnüre verfügen. Worin sich Deutschland am stärksten von anderen Ländern unterscheidet, ist die Friedhofspflicht. Die Möglichkeiten sind also eigentlich sehr vielfältig, aber die wenigstens beschäftigen sich vor der Akutsituation ausgiebig damit.
Die ökologischen Vorteile liegen eigentlich auf der Hand – gibt es jedoch darüber hinaus Gesichtspunkte, die für Papierurnen sprechen?
Besonders wichtig ist uns die Gestaltbarkeit. Individualität lässt sich nicht kaufen, sie entsteht durchs Machen, so wie jeder Mensch durch sein Handeln Spuren hinterlässt. Darum möchten wir Menschen dazu anregen, Abschiede persönlich, kreativ und aktiv zu gestalten. So können die Urnen von urnfold bemalt, beschrieben, beklebt, mit Blumen geschmückt, parfümiert, mit letzten Nachrichten versehen und auf vielfältigste Art gestaltet werden. Dabei gibt es keine Regeln, kein Richtig und Falsch, je persönlicher und authentischer, desto besser.
Können Sie sich noch an Ihre*n erste*n Kund*in erinnern? Wie waren die Reaktionen auf Ihr Unternehmen generell?
Nachdem es ganz am Anfang einen kleinen Artikel über die Urnen in der Lokalpresse gegeben hatte, schrieb uns eine alte Dame und wünschte sich, dass die Verwendung unsere Urne in ihrem Testament festgehalten wird. Sie wollte die Farbe Petrol und da wir noch keine finalen Farben zur Auswahl hatten, machten wir in dieser Farbe eine für sie. Nach einem Besuch bei ihr und vielen Erzählungen von ihren Reisen nach Tansania entschieden wir, diese Urne „Samaki“ zu nennen. Samaki heißt Fisch auf Swahili. Die Namen, Materialien und das Design unserer Urnen sind sehr persönlich und nicht alle verstehen das, aber die Reaktionen sind überwiegend positiv und interessiert. Im Norden und Westen sind wir aktuell stärker vertreten als in Süddeutschland.
Welche gestalterischen Aspekte stehen im Mittelpunkt? Erfüllen Sie dabei auch spezielle Kundenwünsche?
Unser Designansatz ist ein zeitloses Produkt zu schaffen, welches für sich stehen kann, aber auch Raum für Gestaltung bietet. Wir selbst gestalten die Urnen nicht für die Angehörigen. Uns ist es wichtig, dass diese das selbst machen, damit sie einen Bezug zum Objekt bekommen und etwas wirklich Persönliches machen. Wir unterstützen aber sehr gerne bei der Umsetzung und überlegen uns Möglichkeiten wie Ideen umgesetzt werden können.
Welche Papiersorten kommen für die Urnen überhaupt infrage?
Die von uns verwendeten Papiere sind ca. zwischen 200 g und 350 g/qm, müssen biologisch abbaubar und möglichst langfaserig sein. Es ist wichtig, dass die verwendeten Farben nicht schädlich für die Umwelt sind und die Rohstoffe recycelt oder schnell nachwachsend sind. Im Sortiment haben wir Papiere aus Eukalyptus, Hanf, 100 % Altpapier, Alge, Biertrebern etc. Bei der Auswahl der Papiere stand zum einen die Nachhaltigkeit im Vordergrund, aber auch der Charakter der Papiere, welcher sich in Einschlüssen, Geruch, Haptik, Rillung oder andere besonderen Veredelungen zeigt.
Haben Papierurnen in Ihren Augen mehr mit dem Leben oder mehr mit dem Tod zu tun?
Für uns hat der Tod etwas mit dem Leben zu tun. Es ist kein Gegensatzpaar, sondern unabdingbarer Bestandteil des Seins. Dies kann man zwar eine bestimmte Zeit lang ignorieren, aber früher oder später kommt die Konfrontation. Häufig werden wir gefragt, warum unsere Urnen nicht aus einem beständigeren Material wie Ton oder Holz sind und darin liegt für uns eigentlich schon der entscheidende Punkt. Wir wollten etwas Leichtes schaffen, etwas das beim Loslassen hilft. Es geht nicht darum, die Asche möglichst lange beisammenzuhalten, sondern darum für einen kurzen Moment eine emotionale und ästhetische Aufwertung zu schaffen. Im Anschluss soll unser Produkt möglichst schnell und rückstandslos verschwinden, damit auch die Asche ihren Weg zurück in den Kreislauf finden kann.