Die wunderbare Kinderoper »SALTICE – das Märchen von Salz und Eis« führte zu einer ungewöhnlichen und äußerst kreativen Kooperation: Regisseur Ruben Zahra holte hierfür nicht nur die japanische Origami-Künstlerin Kaori Kato sowie die walisische Papierkünstlerin Polly Verity mit ins Boot, sondern auch Paper Artist und Pop-up-Spezialist Peter Dahmen. Papier entfaltet hier in verschiedenen Facetten seinen ganzen Zauber und lässt die Fantasie Purzelbäume schlagen. Eine Opern-Inszenierung, die nach ihrer Erstaufführung im Februar hoffentlich bald auf Reisen geht, um Menschen in aller Welt in Bann zu ziehen. Wir sprachen mit Ruben Zahra und Peter Dahmen über die Zusammenarbeit.
Vielleicht zunächst die Frage an Dich, Ruben: Schwebte Dir schon beim Lesen des Drehbuchs eine Umsetzung mit Papierskulpturen vor?
RZ: Das Libretto der deutschen Autorin Susanne Felicitas Wolf ist von der Geschichte und Folklore der Salzminen und Eishöhlen Oberösterreichs geprägt. Ich wusste bereits, dass Papier ein wunderbares Medium sein würde, um den Bezug zu Salz und Eis auszudrücken. Die Idee, Papierkunst in ein Musiktheaterprojekt einzubinden, kam mir 2016 während meines Besuchs in Japan, als ich auf die Arbeiten von Kaori Kato stieß, die Kostüme in kreiert ... oder, wie sie es gerne nennt, »wearable art«. Ich begann, verschiedene Papierkünstler zu recherchieren und stieß dabei auf die Arbeit von Peter Dahmen. Ich wusste nicht, wann sich die richtige Gelegenheit ergeben würde, aber als sich das Salzkammergut 2024 für eine neue Kinderoper bei mir meldete, präsentierte ich dieses Konzept und sie nahmen es begeistert an.
Was fasziniert Dich persönlich an der Ästhetik von Papier? Kam dieses Medium schon bei anderen Projekten von Dir in dieser Weise zum Einsatz?
RZ: Ich glaube nicht, dass es bisher ein Projekt der darstellenden Künste gegeben hat, bei dem diese Techniken auf einem so hohen Niveau angewendet wurden. In »SALTICE – das Märchen von Salz und Eis« sind Werke von Peter Dahmen, den ich für den besten Künstler für Pop-up-Papierskulpturen halte, und wie bereits erwähnt von Kaori Kato vertreten. Zudem von Polly Verity aus Wales, einer weiteren Papierkünstlerin, die auf kinetische Papiertechnik spezialisiert ist – Papierskulpturen, die ihre Form und Gestalt verändern können. Ich bin seit meinem achten Lebensjahr von Origami fasziniert. Mich begeistern einfache Medien, die großartige Kunst hervorbringen. Man kann also wohl sagen, dass die Reise zu »SALTICE« vor 43 Jahren begann, als ein 8-jähriger Junge in Malta Origami entdeckte.
Wie kam es schließlich zur Zusammenarbeit zwischen Euch beiden?
RZ: Ich muss zugeben, dass ich große Angst davor hatte, Peter zu kontaktieren. Vor allem, weil ich seine Arbeit wirklich bewundere und wusste, dass er für einige große Kunden arbeitet. Daher war ich mir nicht sicher, ob er sich dem Projekt anschließen würde. Während eines Online-Meetings verstand Peter sofort das Konzept und war davon begeistert. Ich war überglücklich. Peter ist sehr professionell, aber er ist auch ein wunderbarer Mensch und Mitarbeiter. Es war eine wundervolle Reise. Peters Pop-up-Skulpturen für SALTICE sind einer der Höhepunkte des Projekts und ich fühle mich durch seine Zusammenarbeit wirklich geehrt.
PD: Tatsächlich war ich während des Meetings sofort begeistert und habe auch direkt zugesagt, fünf Pop-up Skulpturen als Bühnenkulissen für seine Kinderoper zu entwerfen.
Diese sind wie alle Arbeiten von Dir unglaublich aufwendig und detailreich. Wie groß war Dein gestalterischer Spielraum?
PD: Da wir vor dem Projektstart sehr genau darüber gesprochen haben, welche Art von Pop-Up-Skulpturen Ruben sich für sein Projekt wünscht, hatte ich ein sehr klares Briefing im Kopf. Bei der Gestaltung der fünf Motive hat er mir dann die größtmögliche künstlerische Freiheit gegeben, die ich mir hätte wünschen können.
Letztlich hattest Du Dich entschieden, Dich in abstrakten Formen auszudrücken. Was waren die Beweggründe hierfür?
PD: Ruben kannte bereits viele meiner freien künstlerischen Arbeiten aus dem Internet. Obwohl die meisten recht abstrakt sind, so erzeugen sie bei den Betrachtenden oft Assoziationen an konkrete Motive, z.B. aus der Natur oder der Architektur. Genau diese Art von Abstraktion wünschte sich Ruben für sein Stück. Wir waren uns einig, dass ich keine gegenständlichen, realistischen Darstellungen von Landschaften oder Dingen entwerfen würde. Stattdessen sollten alle meine Papierskulpturen zwar abstrakt sein, aber Assoziationen wecken, die zu den fünf Szenen passen. So bleibt genügend Freiraum für die Fantasie des Publikums.
Worin lagen die größten Schwierigkeiten bei der Umsetzung?
PD: Die Pop-Ups sind relativ klein. Sie haben die Größe eines „normalen“ Buches (ca. 46 cm x 32,5 cm in geöffnetem Zustand). Auf der Bühne werden jedoch nicht nur die Originale zu sehen sein. Zusätzlich werden Videoaufnahmen der Papierskulpturen auf den Bühnenhintergrund projiziert. Bei der Gestaltung musste ich darauf achten, dass meine Modelle beim Öffnen und Schließen interessant aussehen und dass auch im geöffneten Zustand genügend Details zu erkennen sind. Sie mussten schließlich auch als meterhohe Abbildung auf dem Bühnenhintergrund gut funktionieren. Darüber hinaus habe ich darauf geachtet, dass die Skulpturen bei Beleuchtung interessante Schatten werfen.
Wie war letztlich Deine Vorgehensweise?
PD: Für jede Papierskulptur wählte ich eine andere Pop-up-Falttechnik (Paper Engineering) als Ausgangspunkt. Ich begann jeweils mit einer einfachen Struktur, die ich nach und nach in mehreren Modellen mit mehr Details anreicherte, sodass komplexe Gebilde entstanden. Jeder Zwischenschritt erforderte ein eigenes Papiermodell. Nur durch diese Zwischenmodelle konnte ich sicherstellen, dass meine Änderungen zu einer Verbesserung führten und sich das Pop-up-Objekt wie vorgesehen öffnen und schließen ließ.
Welches Papier kam dabei zum Einsatz?
PD: Um komplexe, detailreiche Modelle zu konstruieren, benötige ich ein Papier mit einer hohen Biegesteifigkeit. Die Faltungen müssen dauerhaft funktionieren, ohne dass das Papier spröde wird oder reißt. Außerdem ist es wichtig, dass die Papierkanten nach dem Schneiden glatt sind und keine Fasern herausstehen. Ich habe Invercote G in Grammaturen zwischen 220 und 260 g/qm verwendet. Dieses Material verfügt über all diese notwendigen Eigenschaften und war daher meine erste Wahl bei diesem Projekt.
Und wie lange habt Ihr an diesem Projekt überhaupt gearbeitet?
PD: Die ersten Ideen zu einzelnen Pop-Up Szenen hatte ich bereits bei der ersten Projektbesprechung mit Ruben im August 2022 – mit der konkreten Arbeit an den Modellen habe ich jedoch erst im April 2023 begonnen. Bis Ende Juli 2023 habe ich alle fünf Skulpturen fertiggestellt. Mit der Entwicklung der Einzelstücke war ich jeweils zwischen 40 und 60 Stunden beschäftigt.
Auch die Kostüme wurden aus Papier konzipiert und umgesetzt. Welche Intention lag dem zugrunde?
RZ: Wie bereits angesprochen, inspirierten mich schon 2016 die Arbeiten der japanischen Künstlerin Kaori Kato. Es ist mir vorher nie in den Sinn gekommen, dass Origami auf Kostüme angewendet werden kann. Diese Idee faszinierte mich und ich recherchierte genauer über Origami und andere Techniken der Papierkunst. So kam schließlich für alle Kostüme, Requisiten und Bühnenbilder von »SALTICE« Papierkunst zum Einsatz. Ich glaube, dass dies eine sehr originelle Idee, verbunden mit einer minimalistischen und zeitgenössischen Ästhetik ist. Auch wenn es eine Kinderoper ist, wird sie aufgrund ihrer herausragenden künstlerischen Qualität auch Erwachsene und ein internationales Publikum ansprechen.
Nun stehen insgesamt drei Vorstellungen am 24. und 25. Februar in Laakirchen an. Sind weitere in Planung?
RZ: Nach der Premiere werden wir damit beginnen, »SALTICE« international zu bewerben, denn das Projekt wurde so konzipiert und gestaltet, dass es auf Reisen gehen kann. Alle Kostüme und Requisiten passen in zwei normale Koffer. Teil des Konzepts ist es zudem, Kinder mit professionellen Künstlern in einer Reihe von Workshops zusammenzubringen und interdisziplinäre Produktionen zu ermöglichen. Hierfür arbeiten wir immer mit Kindern und Künstler*innen aus der gastgebenden Stadt zusammen, und das Stück wird in der Muttersprache des jeweiligen Landes aufgeführt. So wird jede Version von »SALTICE« einzigartig sein.
Zu sehen ist »SALTICE« am 24. und 25.2 in Laakirchen; hier ist die Inszenierung Teil des Programms von Bad Ischl, European Capital of Culture 2024.