Immer häufiger werden inzwischen Illustrator*innen für Graphic Recordings gebucht – die Kraft der Bilder vereint sich hier mit der Interpretation des oder der Kreativen. Antje Dennewitz ist Spezialistin auf diesem besonderen Feld der Illustration: Mit lockerem Strich, viel Witz und zugleich einer wohltuenden Reduktion hält sie Events oder Diskussionsrunden lebendig fest.
Ihre Expertise gibt die Kreative auch gerne in Workshops weiter oder trommelt gemeinsam mit ihren Kolleg*innen ihr Netzwerk zusammen, um zusammen Bildideen zu spinnen. So geschehen auf dem diesjährigen Graphic Recording Gipfel, einem deutschsprachigen Branchentreffen der professionellen Visualisierungsszene. Dieser wird ehrenamtlich organisiert und wandert in jedem Jahr von Stadt zu Stadt. Beim Treffen in Dresden kamen erneut viele Stifte und noch mehr Papier zum Einsatz – die IGEPA unterstützte dieses Happening mit vielen Bogen der Sorte Pergraphica. Wir sprachen mit Antje Dennewitz über das Treffen, über Talent und Mut, die Bedeutung der Materialität und warum uns Menschen eine Verbildlichung so wichtig ist.
Kannst du kurz umreißen, um was es beim Graphic Recording eigentlich geht?
Graphic Recording bedeutet ja wörtlich übersetzt »visuelle Aufzeichnung« – vor den Augen der Betrachter entsteht ein grafisches Protokoll in Echtzeit. Im Kern geht es beim Graphic Recording darum, Erinnerungsanker in unser Gedächtnis zu setzen. Wie oft fühlen wir uns verloren in endlos langen, linearen Dokumenten. Ein Graphic Recording macht hingegen die Kernaussage auf einen Blick sichtbar und das auf unterhaltsame und bildhafte Weise. Bilder helfen uns, Komplexes zu verstehen, uns zu erinnern und Botschaften besser in unserem Gehirn zu verankern. Das ist großartig!
Welche Vorteile hat ein Graphic Recording im Gegensatz zur Fotografie?
Wenn du Fotografie als dokumentarische Methode bezeichnest, dann würde ich sagen, liegt der Vorteil in der subjektiven Assoziation des Zeichners. Ob man „im Eck springt“ oder „jemanden auf den Mond schießt“, das alles bietet Spielräume für Interpretationen, die man als Zeichner prima nutzen kann. Es geht also weniger um die Dokumentation durch Vollständigkeit, sondern mehr um Assoziationen, Emotion und Humor.
Wie wichtig ist dir in der deiner Arbeit Papier und Materialität?
Sehr wichtig! Haptik, Materialität und Papier sind Bestandteil meines Jobs. Ich zeichne am liebsten auf Naturpapier in höheren Grammaturen, beispielsweise in Skizzenbüchern oder aber auf große Bögen oder Rollenpapier für die Graphic Recordings. Für Druckprodukte meiner Kunden verwende ich oft Recyclingpapiere, ich mag die Anmutung, den leichten Grauton. Ich habe einmal einen Briefbogen in ganz dünner Grammatur von etwa 50 oder 60 g/qm drucken lassen, wie einen Beipackzettel von Medikamenten. Papier kann man mutig einsetzen, dann verstärkt es die Wirkung. Ich zeichne natürlich (spätestens seit Corona) viel und auch gerne digital auf dem Tablet. Das macht Spaß und ist sinnvoll, weil du leichter korrigieren und Veränderungen umsetzen kannst. Aber leider bleibt es eben meist immateriell und ist irgendwie nicht wirklich da. Das finde ich dann sehr schade. Mit einer Ausnahme: Die Visualisierungen der Expertentalks für de IGEPA, die kamen mit der Post fein gedruckt auf schönem Papier! Das war immer eine schöne Überraschung. Die hängen vollständig in meinem Atelier, und ich hoffe, bei vielen anderen Teilnehmern der Talks im Büro oder über dem Sofa.
Beim vergangenen Graphic Recording Gipfel wurdet ihr mit Pergraphica ausgestattet … was sind die Vorzüge dieses Materials?
Wir haben gemeinsam mit der IGEPA Pergraphica Rough in 150 g ausgewählt. Ich mochte den angenehmen Weißton, nicht strahlend weiß, aber nicht zu gelblich, nicht zu rau und nicht zu glatt. Die Grammatur passte zum Format A4 und A3, mit welchem wir ausgestattet wurden. Wir Graphic Recorder zeichnen schnell und vorwiegend mit dicken, wiederauffüllbaren Markern. Wenn diese Stifte über das Papier sausen, versinkt die Tinte sofort im Papier und hinterlässt eine satt leuchtende Spur. Megaschön!
Ist denn jede*r Illustrator*in auf diesem Feld gleichermaßen begabt? Welche Skills sollte man mitbringen?
Es geht nicht unbedingt darum, ein schönes Bild zu malen. Wobei das sicherlich jeder Graphic Recorder je nach Background anders sieht. Es gibt eine große Bandbreite an Visualisierungsprofis. Ob man gebucht wird, ist sicherlich auch eine Frage des persönlichen Stils. Die wichtigsten Skills sind meiner Meinung nach das Vereinfachen-, Assoziieren- und Filtern-Können, Neugier, Intuition und eine innere visuelle Symbolbibliothek.
Was vermittelst du in deinen Workshops?
Bei einem Visualisierungsworkshop egal, ob für uns Profis oder für Interessierte, geht es zuerst um den Spaß an der Sache. Der Satz „Ich kann nicht zeichnen“, gilt nicht. Einfach machen. Im Prinzip beginnt es bei Kreis, Quadrat, Dreieck. Daraus entwickelt sich die Kraft der Bilder, die wir uns zunutze machen können. Als Kind haben wir uns die Welt zeichnend erschlossen und leider irgendwann damit aufgehört. Ich sage immer, ich denke mit der Hand. Alles, was durch meine Hand fließt, habe ich im Gedächtnis.
Wenn du an den Graphic Recording Gipfel zurückdenkst – was hat dich als etablierte Zeichnerin am meisten überrascht?
Ich hätte nie gedacht, dass wir so einen Spaß am »Rudelmalen« haben. Der Austausch unter Kolleg*innen ist so wichtig. Wir sind ein wunderbares Netzwerk.
Papier: Pergraphica