Die Möglichkeiten der Buchgestaltung sind bekanntlich vielfältig: Um diese kompakt zu überblicken, realisierte Lea Giesecke den »BuchBauKasten« und präsentiert zunächst auf einem bei Prima.Publikationen erschienenen Plakat Bindearten, Falzungen, Einbände und Ausstattungen. Folgen soll nun auch eine Schachtel mit Legekarten, die als praktisches Lehrmaterial Studierenden und Gestalter*innen bei ihren Projekten unterstützen soll. Wir wollten von Lea Giesecke mehr über Ihre Intention, die Liebe zum Buch und natürlich den BuchBauKasten erfahren.
Hat Sie die Liebe zum Buch zu Ihrem Designstudium geführt oder war es andersherum?
Schwer zu sagen. Als Kind mochte ich Bücher, aber nicht so sehr Romane, sondern eher die Exemplare mit vielen Bildern oder Illustrationen. Das erste Lieblingsbuch meiner Kindheit war ein Tierlexikon, aus dem immer wieder Vögel abzeichnete. Durch das Zeichnen und andere kreative Kurse formulierte ich mit 12 Jahren meinen Traumberuf: »Zoografikerin«. Das Studium Kommunikationsdesign war dann nach dem Abitur und einem Auslandsjahr recht naheliegend. Da der Bewerbungszeitraum durch die Einreichung der Mappe und der Eignungsprüfung recht lange dauert, habe ich in dieser Zeit ein Praktikum in einer Buchbinderei gemacht. Das war eine tolle Erfahrung. Im Bachelorstudium an der Muthesius Kunsthochschule fand ich zunächst alle Bereiche sehr spannend. An der Buchgestaltung gefällt mir, dass hier viele Bereiche zusammenkommen und man am Ende ein Objekt in der Hand hält.
Wie kam es zur Idee Ihres Buchbaukastens?
Während meines Masterstudiums an der Fachhochschule Potsdam arbeitete ich als studentische Hilfskraft in der Buchbindewerkstatt der Hochschule und unterstützte Studierende bei der Gestaltung und Realisierung ihrer Buchprojekte. In diesen Beratungsgesprächen zieht man viele Buchbeispiele aus den Regalen und erläutert anhand dieser die Möglichkeiten der Gestaltung. Von der Masse an Informationen und Büchern waren viele Studierende überfordert – es brauchte eine Übersicht. Dabei war mir wichtig, die Vielfalt darzustellen sowie zum Experimentieren und Weiterdenken anzuregen.
Haben Sie während der Arbeit an dem Buchbaukasten eine Technik (neu) entdeckt, die Sie besonders überrascht hat?
Überrascht hat mich, dass viele der Meinung waren, man könne die verschiedenen Techniken – aus den Kategorien Bindung, Einband, Falzung und Ausstattung – nicht frei miteinander kombinieren. Im Rahmen der Workshops »Experimentelle Buchgestaltung« mit Studierenden habe ich das erprobt. Jede*r Studierende zog zufällig jeweils eine Karte aus allen vier Kategorien und entwickelt daraus ein Buchobjekt. Das hat sehr gut geklappt. Man könnte also sagen: Die neue »Technik« bestand darin, viele bekannte Techniken auf unkonventionelle Weise zu kombinieren.
Sie bieten damit nicht nur einen Überblick über die haptischen Elemente der Buchgestaltung, sondern möchten auch ein ganz praktisches Lerntool an die Hand geben. Wie kann dieses in der Praxis eingesetzt werden?
Ich denke, zuallererst ist es sehr praktisch, allein die Bezeichnungen der Techniken in der gesammelten Form zu haben, um klarer über die Bindung eines Buches sprechen zu können.
Zweitens sollen zusätzlich zu dem Plakat noch Legekarten mit detaillierteren Informationen auf der Rückseite produziert werden. Diese sind aufwendiger in der Produktion, deshalb haben wir für die Finanzierung ein Crowdfunding auf StartNext gestartet. Mit den Legekarten können Buchbinderlehrlinge und Studierende ihr Wissen über Buchbindetechniken abfragen, ähnlich den Vokabelkärtchen in der Schule. Gleichzeitig können die Karten auch für Workshops einsetzte werden.
Aber auch bei Kund*innengesprächen in Druckereien, Buchbindereien, und Verlagen sind die Karten hilfreich: Die Vor- und Nachteile der Bindungen sind schnell nachzulesen, es können sofort Kombinationen gelegt werden und die Möglichkeiten lassen sich im wahrsten Wortsinn besser »begreifen«.
Damit richtet sich der Buchbaukasten nicht nur, aber auch an Studierende. Denken Sie, die Möglichkeiten der haptischen Gestaltung werden im Designstudium nicht ausreichend vermittelt?
Ich weiß nicht, wie es an anderen Hochschulen ist, aber in meinem Studium hat sich die Tendenz abgezeichnet, dass immer mehr Kurse für Digital- und weniger für Printmedien angeboten wurden. Gleichzeitig waren die handwerklichen Kurse, wie zum Beispiel in der Buchbinde- oder Siebdruckwerkstatt, immer sehr gefragt und es war schwer, einen Platz zu ergattern. Ich glaube, gerade weil sich immer mehr in den digitalen Raum verlagert, wächst das Interesse am haptisch Erfahrbaren.
Kann schon allein eine Technik oder eine Papiersorte zu einer Umsetzung inspirieren oder sollte auch hier immer die Form dem Inhalt folgen?
Inhalt ist relativ, zum Beispiel bei den Büchern »libri lligibli« von Bruno Munari – übersetzt „Unlesbare Bücher“. Hier ist der Inhalt kein Text, sondern eine Abfolge von unterschiedlich farbigen Seiten oder verschiedenen Materialien. Diese sowie ihre Kombinationen stehen im Vordergrund. Form und Inhalt stehen bei Büchern und Buchobjekten in einem engen Verhältnis und beeinflussen einander – ich würde nicht sagen, dass eines dem anderen folgt.
Welche Eigenschaften hätte Ihr persönliches Traumbuch?
Ich lasse mich immer gerne von dem Medium Buch überraschen, deshalb fällt es mir schwer, einem Traumbuch konkrete Eigenschaften zuzuschreiben. Die Form des Buches sollte dem Inhalt eine weitere Ebene hinzufügen und zum Weiterdenken anregen.
Papiere: PERGRAPHICA® Natural Rough, Salzer EOS
Weitere Informationen zum Buchbaukasten sind HIER zu finden.